Buchrezensionen
Mittwoch, 1. Oktober 2014
Der Zugvogel im Zoo: Moderne Fabeln der Großstadt
Mittwoch, 1. Oktober 2014, 21:52
In diesem Buch versammeln sich moderne Fabeln, keine überholten Klassiker, die sowieso jeder kennt, sondern ganz neu erdachte. Mit den klassischen Fabeln haben sie die moralische Aussage gemein, die sehr anschaulich aktuelle Probleme und deren Lösungen aufgreift. Eigentlich für Kinder gedacht, sind diese Geschichten auch für Erwachsene eine sehr schöne Leseerfahrung und regen durchaus zum Nachdenken an.
So behandeln sie zum Beispiel das Thema „Liebe“, hier stellt ein Stallhase fest, dass dieses Gefühl nicht unbedingt von dem guten Aussehen einer hübschen Kaninchendame abhängt.
Auch schwierige Themen wie „Demokratie“ werden verständlich erklärt und (anhand eines Bienenvolkes) auf den Punkt gebracht.
Sehr witzig ist auch die Geschichte des strubbeligen Straßenkaters, der seine Herzensdame lieber mit dem Fisch in der Hand als dem Kaviar in der verschlossenen Dose lockt.
Ein großer Teil der Fabeln gefällt mir sehr gut, nur die Geschichten um die gesunde Ernährung und die Kultur fallen meiner Meinung nach stark hinter den anderen zurück.
Für den Inhalt würde ich so sehr gute 4 Sterne verteilen.
Auch die eigentlich Zielgruppe der Grundschulkinder wird gut angesprochen, die Sprache ist einfach und sehr anschaulich gehalten, so dass ich es auch schon im Vorschulalter einsetzen würde.
Meine Lieblingsgeschichte ist definitiv die des Kükens in der Klemme. Sie behandelt einen Streit um das Aussehen der Sonne, bei dem letzten Endes zwei Hähne als Wortführer sterben, obwohl eigentlich beide recht gehabt hätten. Diese Fabel spiegelt in herausragender Weise die Streitigkeiten zwischen Anhängern verschiedener Religionen wieder und sollte eine Zwangslektüre für alle religiös motivierten Streithähne werden.
Leider kann ich die vier verdienten Sterne für den Inhalt jedoch nicht geben, da das Buch vor Tipp-, Rechtschreibung- und Kommafehlern wimmelt. Anfangs dachte ich, dieses sei nur minimal, leider zieht es sich jedoch durch das ganze Buch und nimmt zum Ende hin zu. Auch einige Wortdoppelungen wirken unsauber, was insgesamt sehr schade für die tollen Geschichten ist.
Dem Autor ist zugute zu halten, dass er einsichtig ist und eine Überarbeitung zugesagt hat. Deswegen werden ich nicht, wie eigentlich geplant, zwei Punkte abziehen, sondern nur einen.
Ganz aus der Bewertung herausnehmen möchte ich dieses Problem nicht, da das Buch ja unter anderem auch für Erstleser gedacht ist und da empfinde ich solche „Böcke“ schon als fatal (und ehrlicherweise stört es auch mich beim Lesen sehr).
Wenn diese Fehler behoben werden, revidiere ich mein Urteil gerne auf vier Bewertungspunkte :-)
Abschließend also ein sehr lohnenswertes Buch, generell gibt es eine Kaufempfehlung von mir, ich würde allerdings noch die Überarbeitung abwarten.

epubli GmbH (4. August 2014) ; ebook 2,99 Euro

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Samstag, 20. September 2014
Nr. 13; Laura Wulff
Samstag, 20. September 2014, 16:14
Ein Thriller, der mit jeder Seite besser wird, sehr ansprechendes Cover.

Das Buch beginnt sehr verstörend mit dem Missbrauch an einem kleinen Jungen. Hier war tatsächlich schon ein Moment, wo ich mich fragte, ob ich das Ganze wirklich lesen will, als passionierte Thrillerleserin schocken mich detailgenaue Beschreibungen nicht, im Gegenteil. Morde, Verstümmlungen, sadistische Einzelheiten erwarte ich hier.
Wenn es um Kinder geht, bin ich aber scheinbar wohl doch ein wenig dünnhäutiger als gedacht. Glücklicherweise war die Szene nur kurz.
Danach entwickelte sich die Geschichte erst mal wie ein mittelmäßiger Thriller weiter: Eine weibliche Leiche wird in einer jüdischen Einrichtung gefunden, erste Spuren führen zu einem Haus voller ehemaliger Gefängnisinsassen, durchweg pädophil veranlagt und entsprechend nicht gerne gesehen in der Nachbarschaft.
Eine alte, leicht demente Dame will in diesem Haus, passenderweise mit der Nummer 13, einen Mord beobachtet haben, der irgendwie mit der Toten in dem jüdischen Bad übereinstimmen könnte... bis hierhin nichts wirklich innovatives und alles ein bisschen klischeehaft. Anfangs war ich überzeugt davon, dass dieses Buch niemals mehr als drei von fünf Bewertungspunkten verdient hätte.
Aber irgendwie fand ich nach und nach immer mehr in das Geschehen hinein, ohne es anfangs selbst zu bemerken. Und als ich es bemerkte, wusste ich auch warum: Die beteiligten Personen wurden so einfühlsam und realistisch beschrieben, dass ich sie ziemlich bald richtig gut zu kennen glaubte. Außerdem waren sie mir trotz oder vielmehr gerade wegen der menschlichen Macken absolut sympathisch. Hier zeigt sich die Besonderheit des Buches: Der Hauptermittler Daniel Zucker, Rollstuhlfahrer nach einem Unfall und noch nicht mit seinem Schicksal im Reinen. Eben diesen beschreibt die Autorin so herrlich authentisch, seine Probleme, die man als Fußgänger gar nicht wahrnimmt, seine Gefühle zwischen „Ich kann das allein“ und „Ich will nicht mehr“, sein ständiger Kampf gegen Vorurteile und gegen sich selbst. Dies vor allen Dingen macht diesen Thriller zu etwas Besonderem und Lesenswertem.

Auch die anderen beteiligten Figuren haben einen deutlichen Wiedererkennungswert, insbesondere der Cousin von Zuckers Ehefrau, Benjamin, wird so dargestellt, dass sich seine Gefühlswelt absolut offen darlegt und man einfach mitfühlen muss.
Insgesamt zeichnet sich die ganze story durch eine großartige Detailgenauigkeit aus, wie schon beschrieben, am Anfang des Buches für mich zu genau. Aber im Verlauf gewinnt das Buch dadurch einen Art Eigenleben, die einen irgendwann in seinen Bann schlägt.
Inhaltlich spielt das Haus Nummer 13 bald einen immer größere Rolle, hier ist nichts so, wie es anfangs scheint und es zeigt sich schnell, dass einfache Schwarz-Weiß-Malerei hier nicht angebracht ist.
Insgesamt eine mittelmäßige storyidee, allerdings mit sehr schön ausgearbeiteten Protagonisten und einem schönen, wenn auch nicht überraschendem Ende.
Diese ist schon der zweite Band um Daniel Zucker, der Erste allerdings noch nicht von mir gelesen. Wird aber so schnell wie möglich nachgeholt, ich freue mich darauf.


MIRA Taschenbuch; Auflage: 1., Aufl. (10. Februar 2014)
368 Seiten, ISBN 978-3862788705; 8,99 Euro

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Donnerstag, 18. September 2014
Das Dorf der Mörder; Elisabeth Herrmann
Donnerstag, 18. September 2014, 20:52
Ein Thriller, in dem die düstere Stimmung fast real spürbar wird, absolute Extraklasse.

Ein brutaler Mord im Berliner Tierpark erschüttert die Stadt, nicht zuletzt, weil eine Kindergartengruppe den Toten zuerst findet. Noch spektakulärer ist allerdings die versuchte Beseitigung des Toten: Eine Horde wilder Schweine sollte den Leichnam fressen. Hat nicht ganz geklappt, einige Teile blieben übrig und wurden entdeckt.
Die Täterin ebenfalls und zwar ziemlich schnell: Charlie Rubin, eine merkwürdige, sehr introvertierte Frau, im Tierpark für die Tiertötung zuständig.
Alle Indizien sprechen gegen sie, einzig die junge Polizistin Sanela Beara zweifelt daran. Mit ihren Einwänden kämpft sie allerdings gegen Windmühlen, der Fall scheint geklärt und damit basta. Sie beginnt auf eigene Faust zu ermittelt und gelangt schließlich in das Geburtsdorf Charlie Rubins: Wendisch Bruch. Im tiefsten Osten der Republik gelegen, fast einem Geisterdorf gleich, leben hier kaum noch Menschen. Das Merkwürdigste daran ist jedoch, dass unter diesen keine Männer mehr sind.
Je weiter Sanela vorstößt, umso unheimlicher wird das Dorf, nur ganz langsam werden seine Geheimnisse preisgegeben und jedes macht die Geschichte bedrückender. Das packende Finale schließlich offenbart menschliche Abgründe, die am Anfang des Buches sicher niemand erwartet hätte.
Welche Rolle die Dorfhunde dabei spielen, die Schwester der Tatverdächtigen und ein Psychologe würde ich zu gerne auch noch beschreiben, aber das würde leider zu viel verraten: Bitte selbst lesen und fesseln lassen ;-)

Dieser Thriller gehört auf jeden Fall zu den besten, die in diesem Jahr zwischen meine Finger geraten sind. Die Atmosphäre ist unglaublich dicht, vor allem das Dorf Wendisch Bruch ist so anschaulich düster geschildert, dass ich mehr als einmal eine Gänsehaut beim Lesen hatte. Auch die Personen sind alle sehr menschlich und nachvollziehbar, vor allem mit der Hauptakteurin Charlie Rubin habe ich mitgefühlt, als ihr Schicksal nach und nach aufgedeckt wurde. Ein Buch, in dem man wirklich mit Haut und Haaren versinken kann und das sich durchaus bis in die Träume schleicht. Allein die Storyideen, die die Autorin hier verarbeitet hat sind extrem vielfältig, super durchdacht und schlüssig. Leider kann ich nicht so gut schreiben wie die Autorin, ich würde meine Begeisterung gerne noch deutlicher ausdrücken, mir fehlen jedoch die Worte. Unbedingt lesen!


Goldmann Verlag (11. August 2014);
480 Seiten (Taschenbuch)
ISBN 978-3442481149
9,99 Euro

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