Buchrezensionen
Nr. 13; Laura Wulff
Samstag, 20. September 2014, 16:14
Ein Thriller, der mit jeder Seite besser wird, sehr ansprechendes Cover.

Das Buch beginnt sehr verstörend mit dem Missbrauch an einem kleinen Jungen. Hier war tatsächlich schon ein Moment, wo ich mich fragte, ob ich das Ganze wirklich lesen will, als passionierte Thrillerleserin schocken mich detailgenaue Beschreibungen nicht, im Gegenteil. Morde, Verstümmlungen, sadistische Einzelheiten erwarte ich hier.
Wenn es um Kinder geht, bin ich aber scheinbar wohl doch ein wenig dünnhäutiger als gedacht. Glücklicherweise war die Szene nur kurz.
Danach entwickelte sich die Geschichte erst mal wie ein mittelmäßiger Thriller weiter: Eine weibliche Leiche wird in einer jüdischen Einrichtung gefunden, erste Spuren führen zu einem Haus voller ehemaliger Gefängnisinsassen, durchweg pädophil veranlagt und entsprechend nicht gerne gesehen in der Nachbarschaft.
Eine alte, leicht demente Dame will in diesem Haus, passenderweise mit der Nummer 13, einen Mord beobachtet haben, der irgendwie mit der Toten in dem jüdischen Bad übereinstimmen könnte... bis hierhin nichts wirklich innovatives und alles ein bisschen klischeehaft. Anfangs war ich überzeugt davon, dass dieses Buch niemals mehr als drei von fünf Bewertungspunkten verdient hätte.
Aber irgendwie fand ich nach und nach immer mehr in das Geschehen hinein, ohne es anfangs selbst zu bemerken. Und als ich es bemerkte, wusste ich auch warum: Die beteiligten Personen wurden so einfühlsam und realistisch beschrieben, dass ich sie ziemlich bald richtig gut zu kennen glaubte. Außerdem waren sie mir trotz oder vielmehr gerade wegen der menschlichen Macken absolut sympathisch. Hier zeigt sich die Besonderheit des Buches: Der Hauptermittler Daniel Zucker, Rollstuhlfahrer nach einem Unfall und noch nicht mit seinem Schicksal im Reinen. Eben diesen beschreibt die Autorin so herrlich authentisch, seine Probleme, die man als Fußgänger gar nicht wahrnimmt, seine Gefühle zwischen „Ich kann das allein“ und „Ich will nicht mehr“, sein ständiger Kampf gegen Vorurteile und gegen sich selbst. Dies vor allen Dingen macht diesen Thriller zu etwas Besonderem und Lesenswertem.

Auch die anderen beteiligten Figuren haben einen deutlichen Wiedererkennungswert, insbesondere der Cousin von Zuckers Ehefrau, Benjamin, wird so dargestellt, dass sich seine Gefühlswelt absolut offen darlegt und man einfach mitfühlen muss.
Insgesamt zeichnet sich die ganze story durch eine großartige Detailgenauigkeit aus, wie schon beschrieben, am Anfang des Buches für mich zu genau. Aber im Verlauf gewinnt das Buch dadurch einen Art Eigenleben, die einen irgendwann in seinen Bann schlägt.
Inhaltlich spielt das Haus Nummer 13 bald einen immer größere Rolle, hier ist nichts so, wie es anfangs scheint und es zeigt sich schnell, dass einfache Schwarz-Weiß-Malerei hier nicht angebracht ist.
Insgesamt eine mittelmäßige storyidee, allerdings mit sehr schön ausgearbeiteten Protagonisten und einem schönen, wenn auch nicht überraschendem Ende.
Diese ist schon der zweite Band um Daniel Zucker, der Erste allerdings noch nicht von mir gelesen. Wird aber so schnell wie möglich nachgeholt, ich freue mich darauf.


MIRA Taschenbuch; Auflage: 1., Aufl. (10. Februar 2014)
368 Seiten, ISBN 978-3862788705; 8,99 Euro

Kommentieren



ccjay, 2014.09.20, 17:06
Hallo Frau nachtschattenpflanze,

Bnut, Bnut, überann Bnut! Warum lese ich eigentlich Thriller, wenn ich weder Gewalt mag noch deren ausführliche Darstellung? Tja, ich schätze mal wegen der Spannung. Aber zu heftig darf es für mich nicht sein. Und die Heftigkeitsschwelle sinkt, wenn Kinder betroffen sind. Spätestens seit der Geburt meiner Nachwuchshoffnung bin ich da sehr empfindlich.

Wobei ich da auch Unterschiede feststelle. In manchen Büchern ist die story über das mißbrauchte Kind so konstruiert und/ oder voraussehbar, dass es einen irgendwie gar nicht berührt. Gerade die skandinavischen Autoren neigen dazu, ihre Bücher mit allen Grundübeln zu überfrachten. Das macht dann irgendwann keinen Spaß mehr und gruselt auch nicht.

Sind Sie denn auch jemand, der gerne Bücherreihen liest? Ich tendiere stark dazu, weil es irgendwie Spaß macht, wenn man mit den Figuren vertraut ist und über längere Zeit mit ihnen leidet. Gestern habe ich entdeckt, dass es neue Inspektor Rebus Bücher von Ian Rankin gibt. Einen musste ich sofort kaufen. Übe mich aber Geduld und lese erst ein anderes Buch zuende. Eines mit sehr viel, zu viel, Psychogetue.

Ihnen ein schönes Wochenende.

Hallo ccjay,

ihr Kommentar hat mich zum Nachdenken angeregt, ich weiß zwar, dass ich Thriller mag, aber eigentlich nicht genau warum. Mag sein, dass es an der Spannung liegt.
Auch bei mir ist es so, dass ich seit der Geburt meines Sohnes angespannter auf Gewaltszenen an Kindern reagiere, scheint wohl eine Art natürlicher Elterninstinkt zu sein.
Übrigens interessiert mich ihr Buch mit Psychogetue, welches ist es denn?

Serien... na ja, mag ich, wenn ich die Protagonisten mag. Aber meistens sind es irgendwie doch Einzelbücher, die in meine Fänge geraten. Vermutlich liegt es an dem Bedürfnis nach Abwechslung, selten lese ich mehr als zwei Bücher eines Autoren nacheinander. Mit einer Ausnahme: Sebastian Fitzek. Den habe ich nach dem ersten Buch sofort aufgekauft ;-)
Nach seinen letzten beiden ist meine Begeisterung allerdings nicht mehr ganz so groß, alle Hoffnung ruht auf dem nächsten.

Ebenfalls ein schönes Wochenende :-)

Guten Morgen!

Sebastian Fitzek ist mir bislang unbekannt geblieben. Sebastian Bergmann dagegen ist der Protagonist der Bücher von Hjorth & Rosenfeldt, welche mir etwas zu viel Drama auf einmal enthalten. Habe gestern den zweiten Band "Die Frauen, die er kannte" geschafft. War zwar durchaus spannend, aber mich nervt es, wenn in den Büchern irgendwann nur noch missbrauchte oder sonst wie vom Schicksal geschlagene Menschen rumlaufen und praktisch niemand mehr halbwegs normal ist. Und ich fand die Handlung an einigen Stellen recht vorhersehbar. Daher im Ergebnis ein klares "ging so". Leider haben sie am Ende auch noch einen Cliffhanger eingebaut, so dass ich doch jetzt wirklich in Versuchung bin, den nächsten Band auch noch zu lesen. Mist!

Danach folgte dann die Enttäuschung des Wochenendes. Den Ian Rankin, den ich voller Begeisterung gekauft hatte, den kannte ich doch tatsächlich schon. Oh, diese Vergesslichkeit!

Hallo ccjay,

sehr ärgerlich, die Geschichte mit der Vergesslichkeit ;-) So ähnlich habe ich es auch schon einmal hinbekommen, allerdings hatte ich das Buch nur versehentlich zweimal geliehen, glücklicherweise nicht gleich gekauft.

Die beiden von Ihnen genannten Bücher kenne ich leider beide nicht, kann also nicht wirklich mitreden. Ich finde allerdings auch, dass gerade in Thrillern oft sehr viele, na ja, sagen wir sehr eigenwillige Menschen herumlaufen. Aber vielleicht liegt das in der Natur der Sache, das normale, langweilige Leben ist wohl nicht beschreibenswert genug. Wenn man es genau nimmt, bin ich ganz froh darüber, keine Psychopathen und Killer in meiner Nähe zu haben ;-)

Was ich bei Krims und Thrillern gar nicht mag, sind unschlüssige Enden, ich will hinterher keine losen Fäden mehr in der Hand haben und schon gar kein so unwahrscheinliches Ende, dass es gerade so noch am Okkulten vorbei schrammt. Meinetwegen unwahrscheinlich, aber nicht unrealistisch. Und cliffhanger sind tatsächlich oft ein Ärgernis, eigentlich ist das Buch zuende, andererseits eben auch nicht richtig... und da ich ein neugieriger Mensch bin, geht die Rechnung dann auch meistens auf und Band 2 (3,4....) wird auch noch gelesen. Trotzdem immer noch besser, als sich mit einem langweiligen TV-Programm rumzuplagen.

Einen schönen Abend noch :-)
Kommentieren